Diplomarbeit - Beschreibung
Informationsverfügbarkeit und Visualisierungsformen für Datennetzwerke
Ausgangslage
Die Telekommunikation ist eine junge Branche, die einem ständigen Wandel
und einer hohen Komplexität unterworfen ist. Aus diesem Grund stehen
heute keine zentralen Informationsplattformen zur Verfügung, welche den
grössten Teil der vorhandenen Daten in einer praktischen und verständlichen
Form zur Verfügung stellen könnten.
So existieren viele einzelne und spezifische Systeme, die sehr viele Daten
beinhalten. Jeder Benutzer der einen Überblick der Situation haben will,
muss sich durch viele dieser Systeme arbeiten, um an die Daten zu gelangen.
Will man eine verlässliche Aussage über die bestehende Kapazität
und Auslastung im Netzwerk machen, müssen mehrere Informationen in einem
Gesamtkontext betrachtet werden können.
Die Diplomarbeit orientiert sich an einem Beispiel, welches 1,6 Mio. Kunden
betreut. Diese befinden sich in 600'000 Liegenschaften, die an einem Datennetzwerk
angeschlossen sind. Das Datennetzwerk besteht aus 130'000 Kilometer Glasfasern,
das ist mehr als der dreifache Erdumfang. Diese Glasfasern werden an 50'000
Knoten zusammengehalten. An das Glasfasernetzwerk sind 3'000 Netzwerke aus
Koaxialkabel (Kupfer) angeschlossen. Diese sind in insgesamt 14'000 so genannten
Werkplänen erfasst. Das ergibt eine Datenmenge von rund 100 GB. Die Koaxialnetzwerke
werden von 70'000 Verstärkern mit Energie versorgt.
Das Glasfaser- und das Koaxialnetzwerk bilden zusammen ein Datennetzwerk.
Dieses beinhaltet 800 Hauptkomponenten, welche mit intelligenten Weichen vergleichbar
sind. Die Komponenten betreiben 170'000 Kabelmodems, welche ans Internet angeschlossen
sind und 10'0000 Kabelmodems, die für Telephonie verwendet werden.
Um die Qualität der Modems messen zu können, werden jährlich
Messdaten in der Grössenordnung von 400 GB gesammelt.

Lösung
Einen Gesamtkontext zu erzeugen ist kein unüberwindbares Problem. Mit
Unterstützung einer sinnvollen Visualisierung kann man auch sehr grosse
Datenmengen in leicht verständliche Informationen umwandeln. Ziel der
Diplomarbeit war das Erarbeiten eines Konzeptes, das eine rein dynamische,
zentrale und web basierende Informationsplattform beschreibt. Diese soll die
oben erwähnten Daten in tabellarischer und visualisierter Form zur Verfügung
stellen. Für den Betrieb soll die Plattform ein Minimum an Administration
sowie ein Maximum an Aktualität aufweisen.
Hierfür wurde nach einer längeren Evaluationsphase eine Java-Applikation
verwendet und weiterentwickelt. Die Applikation basiert auf einem geographischen
Informationssystem (GIS) der Firma ESRI. Als Grunddatenbasis wurde Kartenmaterial
des Bundesamtes für Landestopographie und Geopost-Referenzadressen der
Post verwendet.
Der Vorteil einer solchen Plattform ist die einheitliche Darstellung von Daten
unterschiedlichster Herkunft (z.B. aus Technik oder Marketing). Dies unterstützt
das Verständnis auf Seitens der Benutzer. In dieser Plattform kann der
Benutzer das gewünschte Thema wählen, um sich die vorhandenen Daten
in kombinierter Form anzeigen zu lassen.
Funktionale Ebene
Die Daten werden aus den verfügbaren Systemen in Rohform bezogen. Anhand verschiedener Verknüpfungen können diese in einer neu kombinierten Form wiedergegeben werden. Dadurch stehen Listen zur Verfügung, die alle Daten zu dem gewünschten Thema beinhaltet. Zur besseren Interpretation kann der Benutzer die Daten in visualisierter Form beziehen.
Metaebene
Reine Daten haben keine Aussagekraft. Gelingt es, diese in den gewünschten Kontext zu rücken, kann Information generiert werden. Für die Verkäufer und das Marketing stehen umfassende Informationen über Präsenz und Ausprägung des Netzwerkes für eine beliebige Adresse in der Schweiz zur Verfügung. Auch können Informationen über die Dichte der bestehenden oder potenziellen Kunden bezogen werden.
Umgang mit Daten
Der operative Betrieb kann Informationen über das Netzwerk beziehen, wie z.B. Kundenauslastung, Performance oder die Auswirkungen bei Ausfällen. Die Kombination dieser Information ist ebenfalls möglich. Da die Datenquellen aus verschiedenen Bereichen einer Firma stammen, stehen diese nicht immer in einem direkten Bezug zueinander. Oft wird jedoch eine Adresse angegeben oder man kann die Daten einer Region zuweisen. Diese Eigenschaft kann man nutzen. Dafür werden die Daten in einem ersten Schritt in ein geografisches Muster eingebunden. Die Geographie ist der grosse gemeinsame Nenner von Daten, die etwas Physikalisches beschreiben. Mittels einer Zuweisung der Daten an die Geopost Referenzadressen, können diese geortet und somit ein Zusammenhang erzeugt werden.
Visualisierung
Durch den erzeugten Zusammenhang in der Geographie können die Daten
durch die Visualisierung an den Entstehungsort zurückgeführt werden.
So kann die Physik mit einem beliebigen Symbol dargestellt und mittels Einfärbung
oder Symbolisierung in den gewünschten Kontext gebracht werden. Aufgrund
der grossen Datenmenge wurden skalierbare Visualisierungsformen erstellt,
die je nach Zoomfaktor eine andere Informationstiefe aufweisen. Dies wurde
in einem ersten Schritt in 2D erarbeitet.
Für komplexere Visualisierungen wurden Techniken aus dem 3D-Bereich angewandt.
Die so erarbeiteten 3D-Visualisierungen konnten sich in einem weiteren Schritt
wieder in 2D zurückführen lassen.
Diplompartner
Diplompartner war cablecom. Cablecom hat sich als sehr interessanter Partner
erwiesen, da sie den Zugriff auf die gesamte Datenbasis ermöglicht hat.
Aufgrund dieser sehr guten Zusammenarbeit war es möglich, Prototypen
zu realisieren. Diese konnten intensiv getestet und analysiert werden.
Für die 3D-Visualisierungen wurden alle benötigten Daten, welche
zum Erarbeiten der Konzepte benötigt wurden, zur Verfügung gestellt.
Cablecom setzt NETinfo, den Prototypen einer 2D-Visualisierungsplattform,
als Zusatzinformation für bestehende Tools ein. Am aktivsten wird NETinfo
von der Abteilung für Geschäftskunden eingesetzt, die so eine Beschleunigung
beim Erstellen von Offerten erfahren hat. Das Front Office verwendet NETinfo
zur Visualisierung und besseren Interpretation von Fehlermeldungen. So kann
z.B. ein Fehler anhand der Visualisierung einem Gerät zugeordnet werden,
das selber keine Fehlermeldungen generieren kann. Befindet sich ein fehlerhaftes
Gerät zwischen zwei oder mehreren aktiven Geräten, wird mittels
der Visualisierung ersichtlich, dass dieses eine Gerät fehlerhaft sein
muss.
Die regionalen Baubüros haben einen stetigen Zugriff auf alle benötigten
Pläne des Netzwerkes. Mit diesem Hilfsmittel konnte Geld und Ressourcen
eingespart werden.
Des Weiteren wurden zusammen mit dem Marketing und Performancetechnikern 3D-Modelle
entwickelt, die Markt- und Netzwerkpotenziale aufzeigen. Diese Visualisierungen
wurden unter verschiedenen Aspekten getestet. Durch die dritte Dimension war
es möglich, verschiedene Themen in einer Visualisierung zu vereinen.
Zusammenfassung und Ausblick
NETinfo (2D-Netzwerkvisualisierung)
Mit NETinfo wurde das Ziel verfolgt, alle Informationen zum Datennetzwerk geographisch zu visualisieren und zentral verfügbar zu machen. Die Datenbasis für NETinfo bildet die GIS-Datenbank. Weiter werden Daten aus dem Verrechnungssystem, den Mess- und Netzwerkinventarsystemen verwendet. Damit profitieren alle cablecom-MitarbeiterInnen von dieser Plattform: von den Bau- und Unterhaltsequipen bis zur Kundenberatung sowie Technik, Sachbearbeitung, Verkauf, Engineering, Management usw.
NETinfo, eine Javabasierte GIS-Visualisierungsplattform.
Dienste
Der so genannte „Address locator“ dient der schnellen Adresssuche. Selbst unkorrekt geschriebene Adressen werden gefunden. Der Dienst „ACCESSinfo“ bietet eine kompakte Zusammenfassung grafischer und tabellarischer Informationen zu den technischen Kundenanbindungsmöglichkeiten, Koaxial, Leased Line, Glasfaser, aber auch zu Partnernetzen. Im Weiteren können Daten zu den fünf Datennetzwerktechnologien (DWDM, SDH, ATM, MPLS, LYNX) abgerufen werden. Der Dienst „HFCinfo“ richtet den Fokus auf die hierarchische Netzstruktur. Im Zentrum von „HFCinfo“ stehen GIS-Daten sowie Verrechnungs- und Messdaten anderer Systeme. Sie bilden das Rückgrat für die Dokumentation des TV-Netzwerkes.
Skalierbarkeit der Visualisierungen
Für die Visualisierungen werden Daten auf die Geografie zurückgeführt und mitgelieferte Werte für die Einfärbung verwendet. Beim Visualisieren von sehr grossen Datenmengen, z.B. Netzwerkelemente, werden diese einer Region bei näherem Einzoomen dem Quartiernetzwerk zugewiesen. Mit dieser Skalierbarkeit kann die Informationsdichte frei gewählt werden.
Bessere Datenqualität durch NETinfo
Mit NETinfo wird auch eine neuartige Form der Datenqualitätsanalyse ermöglicht. Durch die Visualisierung solcher Analysen können Daten besser interpretiert und korrigiert werden.
Realtime-Visualisierungen in NETinfo
Ein erster Prototyp im Bereich Realtime Visualisierung wurde für das
Fault Management erfolgreich getestet. Diese Visualisierung ermöglicht
eine Eingrenzung des Fehlers auf eine einzelne Netzwerkkomponente.
Dieser Prototyp eröffnet ein grosses Einsatzgebiet für die 2D Netzwerkvisualisierung.
Damit steht nicht nur eine aktuelle und zentrale Dokumentation über das
Netzwerk zur Verfügung, sondern auch Informationen über den aktuellen
Status.
Fehlervisualisierung für Front Office
Kundennutzen und Effizienzsteigerung durch NETinfo
Für Realtime Visualisierungen sind noch viele weitere Themen und Systeme
vorhanden, wie Trouble Ticketing, Performance- oder Kunden-Management.
NETinfo steigert die Effizienz und somit den Kundennutzen. In NETinfo sind
erstmals alle Netzdaten in einer zentralen Plattform zusammengefasst. Sämtliche
Netzausbauten und –mutationen werden von den Field Technicians in den
dafür vorgesehenen Systemen erfasst und verwaltet. Durch die Anbindung
an NETinfo sind die aktuellen Netzdaten immer zentral abrufbar und geographisch
visualisiert. Dies ergibt insbesondere folgende Vorteile für den Kundenkontakt:
Mit NETinfo konnte die Abteilung für Geschäftskunden die Erstellungszeit einer Geschäftskunden-Offerte von einigen Tagen auf wenige Stunden reduzieren.
- Die Verkäufer können via Webinterface jederzeit und von überall her auf die aktuellen Netzdaten zugreifen und damit dem Kunden vor Ort kompetent Auskunft geben, ob und wie die Kundenliegenschaft an das Netz angeschlossen ist.
- Das Backoffice kann viel effizienter arbeiten, und der Kunde wird noch schneller und kompetenter bedient.
- Das Frontoffice kann viel schneller Fehler eingrenzen und die Feldtechniker mit aktuellen Daten und Visualisierungen für den Einsatz vor Ort versorgen.
3D-Visualisierungen
Für grosse und heterogene Datenmengen sind andere Visualisierungsformen
als im oben erwähnten 2D-Visualisierungsteil erforderlich.
Eine einfache Einfärbung anhand eines Wertes ist nicht mehr nützlich,
da die Visualisierung keine pauschale Aussage erlaubt.
Um eine sinnvolle Visualisierung zu erstellen, ist es nötig, eine Trendanalyse
Das Front Office kann sich in NETinfo fehlerhafte Modems anzeigen lassen Marketingdaten
als Punktwolke vor der Trendanalyse
durchzuführen. Hierfür wurde ein Algorithmus aus der Geomatik verwendet,
der zum Errechnen von Höhenmodellen verwendet wird. Dieses mathematische
Verfahren legt einen Raster über die Daten und errechnet pro Rasterausschnitt
einen Mittelwert anhand von verschiedenen Kriterien. Das Resultat visualisiert
Regionen, in denen ein bestimmter Wert vermehrt vorkommt. So werden z.B. Anhäufungen
von Netzwerkfehlern in einer Region ersichtlich.
Dieses Höhenmodell kann in eine Art „Temperaturkarte“ umgewandelt
und wieder in die 2D-Visualisierung zurückgeführt werden. Errechnet
man solche Trendanalysen für verschiedene Themen, können diese in
3D kombiniert dargestellt werden. So können Marketingdaten das Höhenmodell
bestimmen und Performance die darauf liegende Temperaturkarte.
Mit dieser Visualisierung werden z.B. Gebiete erkannt, die ein hohes Kundenpotential
aufweisen, aber ein schlechtes Netzwerk besitzen. So werden Prioritäten
in der Reihenfolge der Netzsanierungen bedeutend besser gesetzt und begründet.
3D-Visualisierung von Marketing- und Performancedaten
(Höhe: Kundenpotential / Rot: schlechte Performancewerte im Netzgebiet)
Fazit
Information
Es gibt noch sehr viele Datenquellen, die in eine solche Plattform eingebunden werden können. Viele Einflüsse auf die Qualität eines Datennetzwerkes stehen nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Betrieb. So verursachen Blitze, Überschwemmungen oder Temperaturschwankungen Störungen oder Schäden.Kombiniert man solche Informationen mit den internen Netzwerkdaten, werden Fehler besser vorausgesehen. Dadurch können Netzwerke in Zukunft redundanter gebaut werden.
Technik
Zur Realisierung einer zentralen Visualisierungsplattform ist noch viel Grundlagenforschung
nötig. Der während der Diplomarbeit entwickelte Prototyp ist zwar
funktionsfähig, aber für den breiten Einsatz müssen noch Geschwindigkeit
und Zuverlässigkeit verbessert werden. Die gesamten Prozesse, die den
Datenfluss regeln, sind einem ständigen Wandel unterworfen.
Das eingesetzte Metadatenmodell kann diesen Wandel viel effizienter und einfacher
handhaben. Zurzeit ist das Metadatenmodell noch nicht ganz ausgereift. Die
Stabilität und Flexibilität dieses Modells wird in Zukunft weiterentwickelt
und verbessert, um den Bedürfnissen gerecht zu werden.
Weitergehende Entwicklungen
Es besteht die Möglichkeit, den gesamten Inhalt über portable Systeme zur Verfügung zu stellen. So könnten die Feldtechniker vor Ort die benötigten Informationen von einem zentralen Informationssystem beziehen. Dies erfordert jedoch eine Weiterentwicklung im Bereich der kabellosen Datenübertragung, da mit den heutigen Technologien solch grosse Datenmenge nicht in vernünftiger Zeit übermittelt werden kann.
PDA-Lösung für den mobilen Einsatz der Visualisierungen
Sich verändernde Arbeitsweisen
Im Verlauf der Diplomarbeit konnte ein Zuwachs der Interessen an die im Verlauf
der Arbeit erstellten Visualisierungen festgestellt werden. Während den
Gesprächen und den Präsentationen beim Diplompartner wurden nicht
nur bestehende Bedürfnisse aufgenommen, sondern auch neue erzeugt.
Dies war nur im Rahmen einer solchen Diplomarbeit möglich, da die Arbeiten
losgelöst vom eigentlichen Betrieb in der Firma gemacht werden konnten.
Dadurch entstand eine sehr interessante Kombination von theoretischer und
praktischer Arbeit, die noch eine grosse Zukunft vor sich haben wird.
Glossar
ATM (Asynchronous Transfer Mode) | Zellenorientiertes Übertragungssystem mit eigenem Protokoll, so dass verschiedene Formate übertragen werden können. |
Backbone | Nationales Transportnetz für digitalisierte optische TV-Signale. Via Backbone werden grosse Distanzen überwunden. |
DWDM (Dense Wavelength Division Multiplexing) | Fiberoptische Übertragungstechnologie mit sehr hoher Kapazität. Anhand verschiedener Wellenlängen werden mehrere „Kanäle“ parallel über die gleiche Glasfaser geschalten. |
Front Office | Abteilung, die das Netzwerk und die Fehlerbehebung überwacht. |
GIS |
Geographisches Informationssystem. |
HFC (Hybrid Fiber Coax) | Regionales Zubringernetz für analoges sowie digitales TV, Internetzugang und Telefonie. |
KOAX | Kupfertechnologie zur Übertragung von elektrischen Signalen. |
Leased Line | Gemietet Kupferkabel anderer Netzwerkbetreiber. |
LYNX | TV Equipment der Firma Barco. |
MPLS(Multi Protocol Label Switching) | IP (Internet Protokoll) orientiertes Übertragungssystem. |
SDH(Synchronous Digital Hierarchy) | Transparente Übertragungstechnologie, d.h. alles was in einem Interface reingeht, kommt immer aus dem genau definierten Interface wieder Raus. |